Verfassungsschutz warnt: Arabische Clans und radikale Islamisten verbünden sich zunehmend (2024)

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Von: Peter Sieben

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Clan-Größen und extremistische Islamisten treten immer öfter gemeinsam vor die TikTok-Kameras. Verfassungsschützer beobachten derweil noch einen anderen Trend.

Düsseldorf/Berlin – Der Feind meines Feindes ist mein Freund: Das ist wohl die Devise, nach der neuerdings Mitglieder krimineller arabischer Clans und radikal islamistische Salafisten eine unheilvolle Allianz bilden. Beide Gruppierungen lehnen demokratische Institutionen des deutschen Staats ab und beide versuchen, im Netz gezielt vor allem junge Menschen zu rekrutieren.

Kriminelle Clans und extremistische Salafisten produzieren gemeinsam TikTok-Clips

Immer öfter machen sie das gemeinsam. Berliner Clan-Größen besuchen salafistische Moscheen und radikale Islamismus-Influencer treten mit Szene-Akteuren vor die TikTok-Kameras. Das passiert deutschlandweit, in Berlin und Bremen ebenso wie im Ruhrgebiet. „Die Vermischung von Clans und Salafisten beobachten wir schon seit längerer Zeit“, sagte Jürgen Kayser, Chef des NRW-Verfassungsschutzes in Düsseldorf, bei der Vorstellung des aktuellen Lageberichts Islamismus am Dienstagmorgen.

Die Sicherheitsbehörden erkennen dabei einen Rekrutierungs-Trend der Radikalen: Zwar seien wieder vermehrt salafistische Anwerber in den Fußgängerzonen unterwegs und auf Islamisten-Demos wie zuletzt in Hamburg wolle die Szene Stärke demonstrieren. Insgesamt hätten die einschlägigen Salafisten-Moscheen aber zumindest teilweise an Bedeutung verloren – weil die Radikalisierung im Internet schlichtweg sehr viel schneller und einfacher sei. Das Internet sei „ein Hochleistungsmotor für die Radikalisierung“, sagte Innenminister Reul. Das gelte vor allem für die Plattform TikTok.

Verfassungsschutz warnt: Arabische Clans und radikale Islamisten verbünden sich zunehmend (1)

Islamismus-Botschaften aus dem Mittelalter: „Musik vergiftet dich von innen“

In den Videos, die der Verfassungsschutz ausgewertet hat, geben Hassprediger und Clan-Leute dem jungen Publikum vermeintliche Lebenstipps wie diese: Eine Laufbahn als Polizist? Auf keinen Fall, das sei haram, also nach den Gesetzen der islamischen Scharia verboten. Einer Frau die Hand geben? Nein, lieber nicht. Musik hören? „Musik vergiftet dich von innen“, verkündet der bärtige TikToker. Die Clips von Influencern mit Namen wie El Azzazi oder Asanov werden millionenfach aufgerufen und gelikt. „Das ist schwer erträglich, dass es Applaus gibt für diese menschenverachtende Ideologie und ein Rollenverständnis aus dem Mittelalter“, kommentierte NRW-Innenminister Herbert Reul.

In erster Linie geht es Clans und Islamisten nach Einschätzung des NRW-Verfassungsschutzes vor allem darum, mit ihren Botschaften noch mehr Menschen zu erreichen. „Sowohl die salafistischen Influencer als auch Personen aus der Clan-Szene bekommen durch diese Videos eine noch stärkere Reichweite“, erklärte Jürgen Kayser. Die brauchen beide Gruppen: Ähnlich wie die Islamisten versuchen neuerdings auch kriminelle Clans, junge Menschen für einen vermeintlich aufregenden kriminellen Lifestyle zu begeistern und als Nachwuchskräfte zu rekrutieren.

Clan-Kriminalität als potenzielle Geldquelle

Verfassungsschutz warnt: Arabische Clans und radikale Islamisten verbünden sich zunehmend (2)

Zum anderen sehen extremistische Islamisten zunehmend eine Geldquelle in der Organisierten Kriminalität. „Um die Finanzierung ihrer Bestrebungen gewährleisten zu können und somit handlungsfähig zu bleiben, haben sich terroristische Gruppierungen in den letzten Jahren tatsächlich an die Strategien und Taktiken der Organisierten Kriminalität angenähert“ heißt es im Lagebericht Islamismus. Dabei gerieten auch „strafrechtlich in Erscheinung getretene Clan-Angehörige“ in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Clans Terroristen auch zum Beispiel bei der Beschaffung von Waffen für Anschläge helfen, sehe man „derzeit noch nicht“, sagte Jürgen Kayser.

Salafisten bilden Netzwerke zu radikalen Islamisten in den Niederlanden und Belgien

Hotspots sowohl der Clan-Kriminalität als auch des radikalen Salafismus sind in Deutschland unter anderem Berlin, Bremen und NRW. Laut dem Lagebild Islamismus konzentriert sich der extremistische Salafismus in NRW vor allem in den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr, also um Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach, Aachen und das Ruhrgebiet. Zwei Auffälligkeiten: Auch abseits der großen Städte macht der Verfassungsschutz neuerdings ein erhöhtes Extremismuspotenzial etwa in Ostwestfalen-Lippe und im Münsterland aus. Und: Salafisten im Raum Aachen sind gut vernetzt mit islamistischen Extremisten in den Niederlanden und Belgien, wo wiederum die Clan-Kriminalität seit einigen Jahren ein immer größer werdendes Problem ist.

NRW-Innenminister Reul für ein Verbot der „Generation Islam“

NRW-Innenminister Herbert Reul sprach sich unterdessen erneut für ein Verbot der „Generation Islam“ und anderer Gruppen wie „Muslim Interaktiv“ aus, die der islamistischen BewegungHizb ut-Tahrir (HuT) nahestehen. Die HuT will einen weltweiten Kalifatstaat, ihr Ideal ist ein Islam, wie er im frühen Mittelalter gelebt wurde. In Deutschland gilt seit 2003 ein Betätigungsverbot für die HuT. Unter neuen Namen wie „Generation Islam“ agiert sie aber faktisch weiter und spricht vor allem Jugendliche an. Verbote hätten nachweislich eine Wirkung, wären aber auf Landesebene nicht möglich, so Reul, der in Richtung Innenministerin Nancy Faeser (SPD) appellierte: „Da wünsche ich mir endlich ein Signal aus Berlin, das muss vom Bundesinnenministerium kommen.“ Bei der Innenministerkonferenz Mitte Juni wolle er das Thema erneut zur Sprache bringen.

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